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Die Anfänge des Parlamentarismus

Die Forderungen nach mehr Mitbestimmung verstummten nicht. Durch diverse verlorene Kriege der Habsburgermonarchie gerät Kaiser Franz Joseph in Geldnot, das Habsburgerreich hatte riesige Schulden und musste Kredite aufnehmen. Die Menschen, allen voran das liberale (Groß-)Bürgertum, forderten im Gegenzug für Geld mehr Rechte ein. Erst Jahre nach den Ereignissen von 1848 war der Kaiser nun zu schrittweisen Zugeständnissen an das Volk bereit. 

Geburtsjahr des ersten österreichischen Parlaments 1861 

Am 20. Oktober 1860 erließ Franz Joseph I eine neue Verfassung, das sogenannte Oktoberdiplom. Der Kaiser konnte aber weiterhin in den wichtigsten Staatsgeschäften alleine entscheiden und der Reichsrat sollte von den Landtagen der einzelnen Länder beschickt, aber nicht gewählt werden. Das stieß auf Widerstände, vor allem von den Deutschliberalen und von den Ungarn, die mit einem Steuerstreik protestierten. Dadurch zwangen sie den Kaiser zu neuen Zugeständnissen und Staatsminister Anton Ritter von Schmerling überarbeitete im Auftrag des Kaisers das Oktoberdiplom.

Am 26. Februar 1861 beschloss Kaiser Franz Joseph eine erweiterte Verfassung, das sogenannte Februarpatent. Es ist die Geburtsurkunde des ersten österreichischen Parlaments. Darin wurde die Gesetzgebung zwischen dem Kaiser und dem neuen Reichsrat geregelt. Das Parlament bestand nun aus zwei Kammern: aus dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus. Der Kaiser hatte das Recht, die Mitglieder des Herrenhauses zu ernennen. Die Abgeordneten des Abgeordnetenhauses wurden von den Landtagen bestimmt. Dessen Mitglieder kamen aus allen Teilen des Habsburgerreichs und umfassten acht Nationen, elf verschiedene Landessprachen und 17 Kronländer.

Oktoberdiplom, Historische Exponate der Parlamentsbibliothek © Parlamentsdirektion/Thomas Topf
Februarpatent, Historische Exponate der Parlamentsbibliothek © Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Nachgefragt: Wer durfte nun wählen? 

Mit dem Februarpatent 1861 gab es eine neue Wahlordnung für Länder und Gemeinden. Das Landtagswahlrecht – und damit die Wahl der Vertreter im Abgeordnetenhaus – war aber kein allgemeines Wahlrecht, sondern berücksichtigte nur die Steuerträger:innen (unabhängig, ob Mann oder Frau). Der Niederösterreichische Landtag nahm den Regierungsentwurf, der das aktive Wahlrecht für eigenberechtigte steuerzahlende Frauen vorsah, mehrheitlich an. In den größeren Städten (darunter Wien und Prag) blieben die Frauen hingegen weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Das Februarpatent war der letzte Versuch, ein gemeinsames Parlament für die Gesamtmonarchie – einschließlich der ungarischen Gebiete – zu schaffen. Dieser Reichsrat durfte nun auch Gesetze beschließen. Der Kaiser behielt sich aber ein absolutes Vetorecht gegen Beschlüsse des Parlaments vor. Jeder Beschluss konnte durch seinen Einspruch abgelehnt werden. Auch in der Außenpolitik und bei militärischen Angelegenheiten konnte Kaiser Franz Joseph ohne den Reichsrat Beschlüsse fassen. 

Die Widerstände gegen diese neue Verfassung waren jedoch von Beginn an groß. Die Sitzungen des Reichsrats fanden ohne ungarische Abgeordnete statt, da diese die Anerkennung einer Verfassung für das gesamte Reich verweigerten. Auch Lombardo-Venezien und Kroatien blieben dem Parlament fern, Siebenbürgen schickte erst 1863 Vertreter und tschechische Abgeordnete blieben ab 1864 der Volksvertretung fern. Um diese Widerstände zu brechen, löste Kaiser Franz Joseph im Sommer 1861 den ungarischen Landtag auf und verhängte den Ausnahmezustand über Ungarn, um Druck gegen die Widerständigen aufzubauen.

Doch auch diese Zwangsmaßnahmen brachten die Ungarn nicht zum Einlenken im Sinne des Kaisers. Franz Joseph begann daher ab 1865 mit Verhandlungen über einen Ausgleich mit den Ungarn. Wegen der Kriege gegen Preußen und Italien 1866 zogen sich diese Verhandlungen aber in die Länge. Die Ungarn konnten dem Kaiser angesichts der Kriegsverluste weitgehende Zugeständnisse abringen und er musste auch dem Reichsrat umfassende Rechte gewähren.

Ethnomgrafische Karte Österreich-Ungarn beim Zensus 1880.
Sprachenkarte Österreich Ungarn 1880 © Wikipedia / Richard Andree / Andrees Handatlas / CC0

1867 Ausgleich mit Ungarn gegen Zugeständnisse – Geburtsstunde der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn

Im März 1867 erfolgte die Einigung über den Ausgleich mit Ungarn und beendete den kaiserlichen Plan eines zentralistisch regierten Gesamtstaats. Es war die Geburtsstunde der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Das Kaisertum Österreich wurde in das Königreich Ungarn und das Kaiserreich Österreich (inoffiziell: Cisleithanien nach dem Grenzfluss Leitha) geteilt. Es stellte einen Zusammenschluss zweier unabhängiger Staaten, mit zwei Regierungen und zwei Volksvertretungen dar. Franz Joseph wurde nun gleichzeitig König von Ungarn und Kaiser von Österreich.

Am 21. Dezember 1867 verabschiedete der Reichsrat eine neue Verfassung für das Kaisertum Österreich. Sie bestand aus fünf Staatsgrundgesetzen sowie dem so genannten Delegationsgesetz, das den Ausgleich mit Ungarn regelte.Gemeinsam wurden diese sechs Gesetze als Dezemberverfassung bezeichnet. Es war die erste österreichische Verfassung und blieb in der österreichischen Reichshälfte bis zum Ende der Monarchie in Kraft. In den Staatsgrundgesetzen wurden unter anderem erstmals die allgemeinen Grundrechte für Staatsbürger:innen festgeschrieben. Dieser Katalog der Grundrechte bildet nach wie vor die Basis für die heutigen Grundrechte in Österreich.

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gedruckt am: Donnerstag, 21. November 2024