Die Zeit ab 1848 bis zum Ende der Monarchie brachte viele Neuerungen und ungeheure Umwälzungen in allen Bereichen. Bertha von Suttner, Friedensaktivistin und spätere Nobelpreisträgerin schrieb 1899 über die technischen Erfindungen, politischen Veränderungen und gesellschaftlichen Umbrüche: „Es war ja so viel Neues ins Leben getreten, so viel nie noch Dagewesenes war nun da“.
Eine Gesellschaft im Umbruch
Wiener Weltausstellung
Die Errungenschaften der Moderne wurden bei der Wiener Weltausstellung 1873 zur Schau gestellt. Das Wahrzeichen der Weltausstellung, die 1937 abgebrannte Rotunde, war damals der größte Kuppelbau der Welt und bildete das Zentrum des Ausstellungsgeländes im Prater.
Auf den Punkt gebracht: Die Wiener Weltausstellung als Motor für zahlreiche Entwicklungen.
Im Zuge der Weltausstellung wurde viele Projekte vorangetrieben; Der Ausbau der Infrastruktur umfasste unter anderem die Verdoppelung des Eisenbahnnetzes, die Donauregulierung und die 1. Wiener Hochquellenwasserleitung. In Wien präsentierte sich Japan erstmals in großem Stil der Welt. Der damit einhergehende „Japonismus“ prägte die Kunst und hatte Einfluss auf die Entstehung des Jugendstils. Die aus Japan mitgebrachte Sojabohne fand von Wien aus ihre Verbreitung in die ganze Welt und erstmalig widmete sich ein Frauenpavillon dem Thema „Frauen in der Arbeitswelt“.
Strukturwandel der Gesellschaft
Das Leben der Bevölkerung gestaltete sich unterschiedlich, je nachdem, wo man lebte bzw. in welcher sozialen Schicht oder Umgebung man aufwuchs. Neben „rückständigen“ Teilen der Monarchie, in denen die Errungenschaften des 19. Jahrhunderts wenig verändert hatten, gab es andere Gebiete, die dem Fortschritt gegenüber aufgeschlossener waren.
Der Alltag von Bauern und Bäuerinnen
Viele Bauern und Bäuerinnen hatten trotz der beginnenden Veränderung ihrer Stellung im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts ein sehr hartes Leben. Es gab zwar Ansätze einer Mechanisierung in der Landwirtschaft und neue Produkte wie der Kunstdünger revolutionierten die Produktionsmöglichkeiten. Aber meist blieb der bescheidene Lebensstil der bäuerlichen Bevölkerung erhalten. Verarmte Bauern und Bäuerinnen mussten, um Arbeit zu finden, die ländlichen Gebiete verlassen und zogen in die Stadt.
Das Leben der Arbeiter und Arbeiterinnen
Die Lebensumstände der (Fabriks-)Arbeiter:innen waren bedrückend, Kinderarbeit keine Seltenheit. Die Arbeiterfamilien wohnten in Mietskasernen, in unhygienischen Massenquartieren mit hohen Mieten ohne Komfort. Mehrere Familien teilten sich eine Toilette auf dem Gang, das Wasser holte man von der gemeinsamen Wasserleitung (Bassena genannt).
Der Aufstieg des Bürgertums
Zusätzlich zur herrschenden Gesellschaftsschicht des Adels gewann in dieser Zeit eine neue Schicht in der Gesellschaft an Bedeutung: das städtische Großbürgertum. Nach dem Scheitern der Revolution 1848 zog sich das Bürgertum aus der Politik zurück und kehrte erst in den 1860er Jahren in das öffentliche Leben zurück. Neben dem Großbürgertum setzte sich diese heterogene Bevölkerungsschicht aus unterschiedlichen Berufsgruppen, wie den Kaufleuten oder den Beamten zusammen.
Die zunehmende Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutete eine Entwicklung von der bäuerlichen Gesellschaft hin zur Industriegesellschaft. Vor allem die Entwicklung der Eisenbahn und der Dampfmaschine sowie der Dampfschifffahrt trugen dazu bei. Viele Städte wie Wien wuchsen durch den Zuzug vieler Menschen aus unterschiedlichen Regionen und Ländern zu Metropolen heran. Viele Unternehmen wurden gegründet. So entstand die Möbelfabrik des Michael Thonet in Wien, berühmt bis heute für seine Bugholzmöbel. Auch die Ziegelfabrik „Wienerberger“ am Laaerberg im Süden Wiens wurde 1819 gegründet. Sprichwörtlich bekannt blieben ihre Arbeiter:innen (im Wienerischen als „Ziegelböhm“ bezeichnet – was bis heute auf den Zuzug vieler Arbeitskräfte aus Böhmen in dieser Zeit hinweist).
Die Rolle der Frau in der industriellen Gesellschaft - Wandel im Selbstverständnis der Geschlechter
Frauen waren bis auf wenige Ausnahmen von allen politischen Aktivitäten und staatsbürgerlichen Rechten ausgeschlossen. Im Arbeitsalltag als auch durch ihr karitatives und soziales Engagement wurden Frauen in der Gesellschaft aber immer stärker sichtbar. Schaut man sich die Liste der Abgeordneten am Beginn des Parlamentarismus im 19. Jahrhundert in Österreich an, fällt schnell auf, dass Namen von Frauen aber noch völlig fehlten. Das bedeutete aber nicht, dass sie politisch untätig waren.
Schon 1848 war es zu einem ersten Ansatz einer Frauenrechtsbewegung gekommen. Der „Wiener Demokratische Frauenverein“ protestierte gegen Lohnkürzungen für Frauen und Kinder, musste aber bereits zwei Monate nach seiner Gründung eingestellt werden. Ab den 1850er Jahren verstärkten sich die Emanzipationsbestrebungen der Frauen. Zahlreiche Vereine und Verbände wurden gegründet. Frauen wie Hildegard Burjan, Auguste Fickert, Marianne Hainisch und Adelheid Popp setzten sich für Frauen und ihre Rechte ein. Viele ihrer Forderungen wurden jedoch erst in der Republik ab 1918 umgesetzt und Frauen mehr Rechte zugestanden.