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Erstes Aufflackern des Parlamentarismus: die Revolution 1848 und ihre Folgen

Die Zeichen standen auf Aufbruch: Wie in vielen Ländern Europas waren Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Menschen im Kaisertum Österreich unzufrieden: Das politische System der absoluten Kaiserherrschaft, der Unterdrückung, Bespitzelung und Zensur unter Staatskanzler Fürst Klemens von Metternich im Vormärz löste die Revolution 1848 in Wien aus.

Was bedeutet Vormärz?

Als Vormärz wird die Zeit nach dem Wiener Kongress 1814/15 bis zur Revolution im März 1848 (=vor März) bezeichnet. Die Fürsten Europas einigten sich beim Wiener Kongress unter der Führung des österreichischen Außenministers Metternich auf die Wiederherstellung der politischen Machtverhältnisse wie vor der Französischen Revolution 1789 und vor den Kriegen Napoleons. Eine Mitbestimmung der Völker wurde dabei nicht berücksichtigt.

Europa zieht neue-alte Grenzen in Europa nach dem Wiener Kongress (1815).
Europa zieht neue-alte Grenzen nach dem Wiener Kongress (1815). © Wikipedia / Alexander Altenhof / CC-BY-SA

Im Jahr 1848 breiteten sich revolutionäre Aufstände in ganz Europa aus. Schon Ende Februar kamen Nachrichten über die erfolgreiche Revolution und die Ausrufung der Republik in Frankreich nach Österreich. Im Zuge dieser Entwicklungen erhofften sich die Menschen auch hierzulande politische Veränderungen. Ihren Unmut über gesellschaftliche Zustände drückten sie bei Protesten auf den Straßen Wiens aus. 

Viele weitere Neuerungen kennzeichneten diese Zeit: Industrialisierung, Eisenbahn und Dampfmaschine brachten zwar große Fortschritte, die soziale Lage der Arbeiter:innen und der Handwerker:innen verschlechterte sich jedoch zusehends. Bei Demonstrationen forderten sie wirtschaftliche und soziale Absicherung. Vor allem die Arbeiter:innen äußerten ihren Unmut lautstark. Sie beteiligten sich in Wien an den ersten Erhebungen. Sie kämpften für ihr Recht auf Arbeit und ausreichende Bezahlung. Auch die Bürger:innen forderten mehr Mitspracherecht und die Senkung der Steuerlast. Sie alle forderten Versammlungs- und Vereinsfreiheit, also das Recht, sich zusammenzuschließen, um Ziele gemeinsam verfolgen zu können.

Auf den Punkt gebracht: Wien im Jahr 1848

Die Stadt Wien war zu dieser Zeit der heutige 1. Bezirk, umgeben von der Stadtbefestigung, die sich auf dem Areal der heutigen Ringstraße befand. Die Vororte (Dörfer) lagen auf dem Gebiet zwischen dieser Stadtmauer und dem sogenannten Linienwall, dem heutigen Gürtel.

Trotz Verbots versammelten sich die Menschen weiterhin in großen Gruppen. Bürger:innen, Studenten , Arbeiter:innen, Handwerker:innen sowie Bauern und Bäuerinnen protestierten auf den Straßen. Ihre Forderungen lauteten:

Zu diesen Zielen der Aufständischen kamen noch Forderungen nach nationaler Selbstbestimmung in vielen der Kronländer des Habsburgerreichs hinzu. Diese Bestrebungen waren vor allem in Ungarn und der norditalienischen Region Lombardei stark ausgeprägt und führten zu Aufruhr und militärischen Auseinandersetzungen.

Nachgefragt: Warum sind keine Studentinnen bei den Protesten dabei?

Die Gruppe der Studierenden besteht bis ins Jahr 1878 nur aus männlichen Studenten. Frauen durften erst ab 1878 regulär die Universität besuchen. Gabriele Possanner promovierte am 2. April 1897 im Fach Medizin als erste Frau in Österreich. Die Romanistin Elise Richter war 1905 die erste Dozentin an einer Universität in Österreich.

Zeichnung, Unbewaffnete Protestierende treffen auf mit Säbeln bewaffnete Soldaten, die auf die Protestierenden einschlagen.

Protestierende Arbeiter:innen im Wiener Prater 1848 © Wikipedia CC-BY-SA Germanisches Nationalmuseum, Inv. HB31145.jpg

Revolution in Etappen: März bis Oktober 1848

März: Start der Revolution

Am 13. März 1848 brach in der Innenstadt von Wien die „Märzrevolution“ aus, getragen vom Bürgertum und von Studenten. Es wurden Reden gehalten und verlesen, man wollte durch die niederösterreichischen Landstände eine Petition an Kaiser Ferdinand I. übergeben. Doch es kommt zur Katastrophe: Erzherzog Albrecht von Österreich-Teschen befiehlt den bereitstehenden Truppen den Angriff auf die Demonstrierenden, Tote und Verletzte waren die Folge. Der Aufstand weitete sich auf die Vororte aus. Fabriken, Geschäfte und Ämter wurden Ziel von Plünderungen und Protesten.

Der Kaiserhof lenkte nun doch ein und Staatskanzler Metternich trat noch am Abend des 13. März zurück. Kaiser Ferdinand I bewilligte die Pressefreiheit und versprach eine Verfassung. Die Revolution hatte gesiegt.

April: Pillersdorfsche Verfassung

Am 28. April 1848 wurde die Konstitution, eine neue rechtliche Grundordnung für den Staat, erlassen. Sie wurde nach dem neuen Ministerpräsidenten Pillersdorf auch als „Pillersdorfsche Verfassung“ bezeichnet. Zunächst begeistert aufgenommen, zeigten sich jedoch bald erste Mängel: Die Beziehungen zwischen den Kronländern und dem Kaiserhof waren darin nicht klar geregelt und weiterhin wurden breite Schichten der Bevölkerung wie etwa die Arbeiter:innen vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Mai: Die Erkämpfung des Wahlrechts

Am 15. Mai marschieren Studenten zur Hofburg. Kaiser Ferdinand I. floh nach Innsbruck. Die revolutionäre Stimmung hielt über Tage an. Als die Machthaber am 26. Mai versuchten, die Akademische Legion (die „Armee“ der Studenten) aufzulösen, errichteten Studenten Barrikaden in der Innenstadt. Sie erzwangen das Wahlrecht für eine parlamentarische Volksvertretung, den Reichstag. Bei diesen ersten parlamentarischen Wahlen in Österreich, den Reichstagswahlen 1848, sind ausschließlich Männer wahlberechtigt.

Juli-September: Eröffnung des Reichstags

Als Folge der revolutionären Widerstandsbewegungen trat noch im Sommer die Einrichtung des Reichstags als erste gewählte Volksvertretung zusammen. Am 22. Juli 1848 eröffnete der beim Volk beliebte Erzherzog Johann den Reichstag. Versammlungsort für dieses erste gewählte österreichische Parlament war die Winterreitschule der Hofburg. Am 24. Juli stellte der jüngste Abgeordnete Hans Kudlich aus Schlesien den Antrag zur Auflösung der Grundherrschaft. Damit sollten die Bauern und Bäuerinnen nicht mehr Untertan:inen ihrer Grundherren sein. Die Bauern und Bäuerinnen mussten nun keinen Robot (unbezahlter Arbeitsdienst) und Zehent (jährliche Abgabe an den Grundherrn) leisten.

Über den Sommer 1848 beruhigte sich die Lage jedoch nicht und es kam immer wieder zu Zusammenstößen. Nach Lohnkürzungen für Frauen und Kinder, die bei Umbauarbeiten im Prater schwere Arbeit leisten mussten, kam es zur blutigen Praterschlacht. Die Befürchtung wuchs, dass eine proletarische Revolution bevorstand.

Oktober: Blutiges Ende der Revolution

Der im Sommer nach Wien zurückgekehrte Kaiser Ferdinand I floh erneut, diesmal nach Olmütz (im heutigen Tschechien). Auch der Reichstag wurde aus Sicherheitsgründen nach Kremsier (ebenfalls im heutigen Tschechien) verlegt. Im Oktober erhängte ein wütender Mob in der Wiener Innenstadt Kriegsminister Theodor Baillet de Latour. Studenten und Arbeiter:innen führten einen Verzweiflungskampf für die revolutionären Errungenschaften. Am 31. Oktober 1848 erstürmten kaiserliche Truppen Wien und die Revolution wurde blutig niedergeschlagen.

Metternich und Sedlnitzky, mit einem Beutel über der Schulter und mit comichaft verzerrten Gesichtzügen und Gliedmaßen, laufen aus der Stadt.

Karikatur über Metternichs (und Sedlnitzkys) Flucht aus Wien © Österreichische Nationalbibliothek

Jahre der neoabsolutistischen Herrschaft unter Franz Joseph I

Die Erwartungen der Bevölkerung auf Mitbestimmung erfüllten sich trotz Revolution und Protest nicht. Der Reichstag als erstes gewähltes Parlament bestand nur bis 7. März 1849. Der junge Kaiser Franz Joseph – er hatte am 2. Dezember 1848 als 18-Jähriger den Thron bestiegen – löste den Reichstag auf und führte das Land wieder mit absoluter Macht. Es begann die Zeit des Neoabsolutismus. Die Bürger:innen, Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen hatten weiterhin kein Recht auf politische Mitbestimmung. Franz Joseph führte sogar die Zensur wieder ein. Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, sogar Theaterstücke wurden überprüft. 

Durch die zentralistische Führung des Kaisers verstärkten sich auch die Nationalitätenprobleme in den einzelnen Kronländern des Habsburgerreichs. Vor allem Ungarn und die Lombardei wehrten sich und forderten nationale Selbstbestimmung. Im Jahr 1859 musste der Kaiser den Großteil der italienischen Gebiete abtreten und Italien wurde zu einem eigenständigen Königreich.

Auf den Punkt gebracht: Kronländer, Kaisertum, Habsburgerreich 

Das Habsburgerreich bestand seit dem Mittelalter und endete 1918. Innerhalb dieser langen Herrschaft wird der Zeitabschnitt ab dem Jahr 1804 als Kaisertum Österreich genannt. Es wurde von Erzherzog Franz von Österreich gegründet und 1867 in die Österreichisch-Ungarische Monarchie umgewandelt. Als „Kronländer“ wurden ab dem späten 18. Jahrhundert die verschiedenen Länder innerhalb der Habsburgermonarchie bezeichnet. Insgesamt lebten im Kaisertum Österreich über 20 Millionen Menschen. 

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gedruckt am: Donnerstag, 21. November 2024