Die Geschichte der demokratischen parlamentarischen Republik Österreich weist einen tiefen Bruch auf: 1933 wird ein autoritärer Ständestaat errichtet. Mit der Annexion an Deutschland 1938 ist Österreich kein eigener Staat mehr. Es folgt der Zweite Weltkrieg (1939 – 1945), erst dann wird die Republik Österreich wiederhergestellt.
Die „Zweite Republik“ ist ein Neuanfang für die Demokratie in Österreich.
Die Zweite Republik wird ausgerufen
Noch in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, im April 1945, wurde die „unabhängige Republik Österreich“ ausgerufen, die Bundesverfassung von 1920 wurde wieder in Kraft gesetzt.
Das war der Beginn der Zweiten Republik, in der wir bis heute leben.
Die Zweite Republik sollte ein Neubeginn sein. Dabei stellten sich einige große Herausforderungen: Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte Armut und Hunger; ganze Städte lagen in Trümmern, das Land musste wieder aufgebaut werden. Aber auch der Nationalsozialismus hatte tiefe Spuren hinterlassen. Österreich traf Maßnahmen zur „Entnazifizierung“, z.B. wurden nationalsozialistische Propaganda und Handlungen verboten, NationalsozialistInnen wurden für ihre Taten während des Nationalsozialismus bestraft. Neben der strafrechtlichen Verfolgung der TäterInnen gab es kaum eine offene Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und der Verantwortung für die NS-Verbrechen. Eine tiefere Aufarbeitung der Ursachen und Folgen der NS-Zeit blieb zunächst größtenteils aus. Auch Fragen der Entschädigung der NS-Opfer waren viele Jahre ungelöst.
Die äußeren Grenzen Österreichs in der Zweiten Republik blieben jene der Ersten Republik (nach 1921). Allerdings gab es neue Grenzen innerhalb des Landes: Das Land war von den Siegermächten des 2. Weltkriegs (Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion) besetzt und in vier Zonen aufgeteilt worden, zwischen denen die Zonengrenzen verliefen.
Die Besetzung dauerte bis 1955. So lange musste Österreich für wichtige Entscheidungen die Zustimmung der Besatzungsmächte einholen. Österreich war also ein selbständiger Staat, aber trotzdem nicht ganz „frei“. Diese Situation änderte sich erst im Jahr 1955 durch den Staatsvertrag.
Wichtige (demokratiepolitische) Ereignisse und Entwicklungen in der Zweiten Republik
Das Jahr 1945
25. November 1945: Erste Nationalratswahlen
Am 25. November 1945 fanden die ersten Wahlen (Nationalratswahlen) in der Zweiten Republik statt. Das Wahlrecht knüpfte dabei an das der Ersten Republik an: Es galt das freie, gleiche und allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen. Gewählt wurde wieder nach dem Listen- und Verhältniswahlrecht. Auch heute ist dieses Wahlrecht noch gültig. Geändert wurde seither aber u.a., dass man nun schon früher wählen darf (derzeit ab 16 Jahren), und dass man Vorzugsstimmen vergeben darf.
1945: Erste Regierung der Zweiten Republik
Die erste Regierung der Zweiten Republik versuchte soziale Spannungen zu vermeiden, indem die Regierungsparteien stärker zusammenarbeiteten. Ebenso arbeiteten die Vertretungen der ArbeitnehmerInnen und der ArbeitgeberInnen besser zusammen. Daraus entstand später die sogenannte Sozialpartnerschaft
1945
1945: Gründung der UNO
Der Wunsch nach Frieden hatte nach dem Ersten Weltkrieg dazu geführt, dass 32 Staaten sich zum Völkerbund zusammenschlossen. Das Ziel des Völkerbundes war, an einem friedlichen Miteinander zu arbeiten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wollte man die Idee einer friedlichen Gemeinschaft endlich Wirklichkeit werden lassen: 1945 wurde nach dem Vorbild des Völkerbunds die UNO (United Nations Organization; dt.: Vereinte Nationen) von 51 Staaten gegründet. Heute hat die UNO bereits 193 Mitgliedstaaten.
Das Jahr 1955
15. Mai: Der Staatsvertrag
Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag im Schloss Belvedere in Wien unterzeichnet. Damit ist Österreich wieder ein souveräner (unabhängiger, freier) Staat, der von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt wird. Durch den Staatsvertrag sind ein Anschluss Österreichs an Deutschland, nationalsozialistische Organisationen und die sogenannte „Wiederbetätigung“ verboten. Außerdem sind die Anerkennung der Menschenrechte und der Rechte von Minderheiten in Österreich im Staatsvertrag festgehalten.
26. Oktober: Neutralität
In den Verhandlungen zum Staatsvertrag einigte sich Österreich mit der Sowjetunion darauf, dass Österreich eine „immerwährende Neutralität“ ausüben wird und sich keinem der militärischem Bündnisse (damals: NATO, Warschauer Pakt) anschließen wird. Die Erklärung der Neutralität war mitentscheidend dafür, dass der Staatsvertrag von den alliierten Staaten unterzeichnet wurde. Die Neutralität Österreichs wurde im Neutralitätsgesetz am 26. Oktober 1955 beschlossen. (Daher ist der 26. Oktober der österreichische Nationalfeiertag.)
Die 1950er-Jahre
Wirtschaftlicher Aufschwung
So wie in der Anfangszeit der Ersten Republik befand sich Österreich vor allem durch den Krieg in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, das Land musste wieder aufgebaut werden.
Mit dem so genannten „Marshall-Plan“ unterstützten die USA den Wiederaufbau Europas, Österreich erhielt besonders viel finanzielle Unterstützung aus diesem Programm (bis 1955 rund eine Milliarde US-Dollar, das sind circa 915 Millionen Euro).
Nach und nach erholte sich die österreichische Wirtschaft in den 1950er-Jahren wieder. Viele Wohnhäuser, Fabriken, Straßen, Bahnlinien waren wiederhergestellt, größere Bauten wie Wasserkraftwerke und Brücken wurden feierlich eröffnet. Die Landwirtschaft wurde modernisiert und konnte wieder mehr Nahrungsmittel für die Bevölkerung erzeugen, auch der Tourismus nahm wieder zu. Österreich erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung („Wirtschaftswunder“ in Europa).
Die 1960er-Jahre
Protestbewegungen weltweit
Nachdem in den 1950ern nach und nach die große Nachkriegsarmut überwunden war, ging es den Menschen wirtschaftlich besser. Auch durch viele technische Neuerungen stieg der allgemeine Wohlstand.
Vor allem die Jugend hatte einen starken Wunsch nach Veränderung. Vieles wurde hinterfragt, etwa die autoritären Strukturen und Haltungen, das bürgerliche Leben der Eltern, die strenge Sexualmoral, die Konsumgesellschaft, der Kapitalismus. Weltweit (in den USA, Lateinamerika, Europa, Afrika und Asien) kam es zu Demonstrationen, Unruhen und Streiks.
Die Forderungen der Protestierenden waren unterschiedlich. In Europa sind von den vielen demonstrierenden Gruppen insbesondere die Studentenbewegung sowie die Frauenbewegung hervorzuheben. Teilweise gab es auch Proteste der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Die 1970er-Jahre
Umwelt und Soziales, Ölkrise
In den 70er-Jahren kam es in Österreich zu neuen gesellschaftlichen Bewegungen. Unter anderem rückten „Umweltschutz“ und die Anti-Atomkraft-Bewegung vermehrt ins Licht der Aufmerksamkeit. Als Meilenstein galt hier die Volksabstimmung vom 5. November 1978 gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf. Dies war die erste Volksabstimmung der Zweiten Republik und verhinderte, dass das erste österreichische Kernkraftwerk in Zwentendorf an der Donau in Betrieb genommen wurde.
Die 70er-Jahre in Österreich waren außerdem geprägt von sozialen Reformen: So wurden die Schülerfreifahrt und Gratis-Schulbücher eingeführt. Der Zivildienst wurde geschaffen, die Wochenarbeitszeit wurde auf 40 Stunden herabgesetzt, es gab Reformen im Familienrecht.
Seit den 70er-Jahren gibt es auch die Semesterferien. 1974 wurden sie als „Energieferien“ eingeführt, um Heizkosten zu reduzieren. Der Hintergrund dazu ist, dass während des arabisch-israelischen Krieges vom 6.-24. Oktober 1973 („Jom-Kippur-Krieg“) die Lieferung von Erdöl in den Westen eingeschränkt wurde und die Ölpreise stark anstiegen („Ölkrise“)
Die 1980er-Jahre
Ende des Kalten Krieges
Von 1947 bis 1989 herrschte zwischen einerseits den Westmächten, insbesondere den USA, und andererseits dem Ostblock unter der Führung der Sowjetunion, der so genannten „Kalte Krieg“. Die wirtschaftlichen Systeme des Kapitalismus (Westmächte) und des Kommunismus (Ostblock) standen sich feindlich gegenüber. Mehrmals konnte ein Krieg nur knapp verhindert werden bzw. führten die beiden Machtblöcke „Stellvertreterkriege“ (z.B. Vietnamkrieg).
Die schwer bewachten Grenzen mit Stacheldraht, Wachtürmen und Minenfeldern zwischen den Ländern im Osten und jenen im Westen waren wie ein „Eiserner Vorhang“, der Europa (und weite Teile der Welt) in zwei Blöcke teilte.
Ab 1989 öffnete sich – nach teils friedlichen, teils gewaltsamen Protesten – der „Eiserne Vorhang“. Die Berliner Mauer fiel, die Länder des Ostblocks wurden unabhängig, die Sowjetunion zerfiel.
Damit war der Kalte Krieg beendet.
Das Jahr 1995
EU-Beitritt Österreichs
Am 12. Juni 1994 fand in Österreich eine Volksabstimmung statt: Die Bevölkerung sollte darüber entscheiden, ob Österreich der EU beitreten sollte. Zwei Drittel der wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher sprachen sich für den Beitritt aus.
Am 1. Jänner 1995 wurde Österreich Mitglied der Europäischen Union.
Das Jahr 2002
Der Euro
Mit 1. Jänner 2002 wurde in mehreren Ländern der EU eine neue Währung eingeführt: Als neues Bargeld löste der Euro dort die bisherigen Währungen ab. In Österreich war damit der Schilling nach 77 Jahren Geschichte.