RichterInnen, StaatsanwältInnen, RechtsanwältInnen, Opfer, Beschuldigte, ZeugInnen, Geschworene … an einem Gerichtsverfahren sind mehrere Personen in verschiedenen Rollen beteiligt.
Rollen bei Gericht (ordentliche Gerichte)
Einige der Rollen sind bei Strafverfahren und Zivilverfahren gleich, andere wiederum gibt es nur bei Strafverfahren oder nur bei Zivilverfahren.
In der Tabelle findest du einige Beispiele, wie sich wichtige Rollen bei Gericht in Strafverfahren und Zivilverfahren unterscheiden.
Tabelle 1: Vergleich wichtiger Rollen bei Straf- und Zivilverfahren
Rolle | Strafverfahren | Zivilverfahren |
Wer steht „vor Gericht“? | AngeklagteR (BeschuldigteR) | BeklagteR / Beklagte Partei |
Wer klagt (an)? | AnklägerIn (Staatsanwalt oder Staatsanwältin) | KlägerIn / Klagende Partei |
Wer vertritt die Angeklagten bzw. die Parteien? | VerteidigerIn (immer Rechtsanwältin/Rechtsanwalt) | Rechtliche VertreterInnen |
Wer trifft ein Urteil? | StrafrichterInnen, | ZivilrichterInnen, |
BerufsrichterInnen
Strafverfahren und Zivilverfahren
Sowohl Strafverfahren als auch Zivilverfahren werden von BerufsrichterInnen geleitet.
RichterInnen müssen nach ihrem Studium eine mehrjährige Ausbildung an verschiedenen Gerichten machen und Prüfungen ablegen. Sie können sich später auf bestimmte Fachbereiche konzentrieren. So werden je nach Fall etwa StrafrichterInnen, FamilienrichterInnen, Arbeits- und SozialrichterInnen etc. eingesetzt. RichterInnen haben eine besondere berufliche Stellung: Sie entscheiden völlig unabhängig. Damit das gesichert ist, können sie nicht abgesetzt und nicht ohne ihre Zustimmung an ein anderes Gericht versetzt werden.
LaienrichterInnen
Strafverfahren
Neben RichterInnen, die von Berufs wegen RichterInnen sind, gibt es auch LaienrichterInnen. Das sind BürgerInnen, die bei einer Gerichtsverhandlung mitwirken. Sie werden nach dem Zufallsprinzip aus der wahlberechtigten österreichischen Bevölkerung ausgewählt, und dürfen keine richterliche Ausbildung haben.
Ob bei einer Gerichtsverhandlung LaienrichterInnen dabei sind, hängt von der Art und der Schwere der Straftat ab, um die es im Prozess geht.
In Strafverfahren unterscheidet man bei LaienrichterInnen zwischen Geschworenen oder Schöffen.
Ein Geschworenengericht besteht aus drei BerufsrichterInnen und acht Geschworenen. Ein Geschworenengericht braucht es, wenn es im Prozess um Verbrechen geht, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe bedroht sind, deren Untergrenze mehr als fünf Jahre und deren Obergrenze mehr als zehn Jahre beträgt. Außerdem entscheiden sie über bestimmte politische Delikte.
Schöffensenate bestehen aus einem oder zwei BerufsrichterInnen und zwei Schöffen.
Schöffensenate entscheiden über Delikte, die mit Strafe von über fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wenn nicht ein Geschworenengericht zuständig ist.
Mitwirkung als LaienrichterIn: Recht und Pflicht
Gegen Ende der absoluten Monarchie (19. Jhd) forderte das Volk, an der Rechtsprechung beteiligt zu werden, etwa wenn es um „Kapitalverbrechen“ (wie Mord) oder politische Delikte ging. Seither können LaienrichterInnen an bestimmten Gerichtsverfahren mitwirken.
LaienrichterIn zu sein, ist ein Ehrenamt. Wenn jemand zur LaienrichterIn berufen wird, gehört es zur allgemeinen Bürgerpflicht in Österreich, dafür zur Verfügung zu stehen. Dafür erhalten sie aber eine finanzielle Entschädigung sowie Ersatz der Reisekosten.
LaienrichterInnen
Zivilverfahren
In Zivilverfahren kommen LaienrichterInnen z.B. bei Arbeitsrechtssachen oder Handelssachen vor. Im Unterschied zum Strafverfahren müssen sie fachkundig sein. Damit soll vor allem das Wissen des Gerichts in besonderen Fällen gestärkt werden. Die LaienrichterInnen entscheiden gemeinsam mit einem Berufsrichter / einer BerufsrichterIn (sie bilden mit ihr oder ihm einen „Senat“).
AnklägerIn
Strafverfahren
Das ist die Person, die jemandem vorwirft, das Recht gebrochen zu haben.
Beim Strafverfahren ist der Ankläger der Staat Österreich, vertreten durch einen Staatsanwalt bzw. eine Staatsanwältin.(siehe dort)
Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, Anklage zu erheben, wenn sie sicher ist, dass ein Verdacht auf eine Straftat besteht.
KlägerIn / Klagende Partei
Zivilverfahren
In einem Zivilverfahren stehen sich KlägerIn und BeklagteR gegenüber. Der Kläger oder die Klägerin wirft der oder dem Beklagten vor, etwas Rechtswidriges getan zu haben. Der oder die Klägerin fordert deshalb von dem oder der Beklagten etwas ein, z.B. eine Geldsumme oder eine rechtswidrige Handlung zu unterlassen („Unterlassung“).
(Im Unterschied zu der StaatsanwältInnen in einem Strafverfahren muss der Kläger/die Klägerin in einem Zivilverfahren nicht anklagen, wenn der Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht. Es ist alleine seine Entscheidung, ob er / sie da tut.)
Der Kläger oder die Klägerin wird auch als „klagende Partei“ bezeichnet.
Strafverfahren
Das Opfer ist jemand, der durch die Straftat geschädigt worden ist (z.B. einen Schaden an Leib, Vermögen oder Freiheit erlitten hat).
Die Opfer haben im Strafverfahren besondere Rechte, etwa das Recht auf Akteneinsicht (D.h., sie dürfen die Unterlagen zu ihrem Fall einsehen, welche bei der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht vorliegen). Sie dürfen außerdem im Verfahren die Angeklagte / den Angeklagten und ZeugInnen befragen. Ihr Name darf nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, z.B. über Medien.
Ein Opfer kann sich an einem Strafverfahren beteiligen, um Schadenersatz zu erhalten (z.B. Schmerzengeld). Das Opfer ist dann „PrivatbeteiligteR“ am Prozess.
StaatsanwältInnen
Strafverfahren
StaatsanwältInnen leiten das Ermittlungsverfahren. Dabei arbeiten sie mit der Kriminalpolizei zusammen. Die StaatsanwältInnen entscheiden, ob eine Person angeklagt wird und ein Gerichtsverfahren gegen diese Person beginnt: Sie „erheben Anklage“, wenn es wahrscheinlich ist, dass es zu einer Verurteilung des Beschuldigten / Angeklagten kommt.
Anders als die RichterInnen sind StaatsanwältInnen nicht unabhängig, sondern sie sind an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden. Ihr/e oberste/r Vorgesetzte/r ist die/der Bundesminister/in für Justiz. In besonderen Fällen kann es sogar vorkommen, dass sie/er eine Weisung an die Staatsanwaltschaft erteilt.
AngeklagteR
Strafverfahren
Das ist die Person, die in Verdacht steht, das Recht gebrochen zu haben. (Vor der Anklage spricht man übrigens von der oder dem „Beschuldigten“!).
Solange die Schuld dieser Person vor Gericht nicht bewiesen wurde, gilt die Person als unschuldig (Unschuldsvermutung). (Wenn in den Medien angeklagte Personen oft bereits als „TäterIn“ bezeichnet werden, so ist das eine Vor-Verurteilung!)
Die oder der Angeklagte wird meist von einem Rechtsanwalt bzw. einer Rechtsanwältin vertreten.
BeklagteR/ Beklagte Partei
Zivilverfahren
Dem/der Beklagten in einem Zivilverfahren wird ein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen.
Er/sie wird auch als „beklagte Partei“ bezeichnet.
VerteidigerInnen (immer RechtsanwältInnen)
Strafverfahren
Meist unterstützt eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt die oder den BeschuldigteN / Angeklagten vor Gericht („verteidigt“ sie oder ihn). RechtsanwältInnen kennen sich mit den Gesetzen gut aus und verstehen die juristische Sprache. Eventuell kennen sie auch frühere Fälle, die mit dem aktuellen Fall vergleichbar sind, und wissen, wie die Entscheidungen des Gerichts dabei ausgefallen sind.
RechtsanwältInnen stehen der / dem Beschuldigten oder Angeklagten bei, deshalb spricht man auch von „Rechtsbeistand“.
VerteidigerInnen können jederzeit zum Verfahren hinzugezogen werden. In manchen Fällen muss ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden, selbst, wenn die oder der Angeklagte dies nicht verlangt.
Rechtliche VertreterInnen der Parteien (meist RechtsanwältInnen)
Zivilverfahren
Ob eine Partei in einem Zivilverfahren einen Rechtsanwalt/ eine Rechtsanwältin braucht, kommt auf die Art des Verfahrens, den Streitwert und das Gericht an. In einigen Fällen gibt es eine Anwaltspflicht.
In einigen Prozessen handeln die Parteien vor Gericht selbst (ohne rechtliche Vertretung), oder sie lassen sich durch eine (volljährige) Person vertreten.
ZeugInnen
Strafverfahren und Zivilverfahren
ZeugInnen sind Personen, die (hinsichtlich der Straftat) etwas gesehen oder gehört haben.
Sie sagen vor Gericht aus, was sie über die angeklagte Straftat bzw. über das Vergehen wahrgenommen haben. Die Aussage der ZeugInnen soll den RichterInnen dabei helfen, zu einem Urteil zu finden.
Wer vom Gericht als Zeuge oder Zeugin geladen wird, ist verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen. ZeugInnen müssen außerdem vor Gericht die Wahrheit sagen (Wahrheitspflicht).
Wer wissentlich eine falsche Zeugenaussage macht, macht sich strafbar.
Sachverständige
Strafverfahren und Zivilverfahren
Manchmal werden Sachverständige zu einem Gerichtsverfahren bestellt. Sie sollen dabei helfen, die Fakten zu klären, die für den Gerichtsprozess wichtig sein könnten. (Anders als ZeugInnen tragen sie dazu nicht durch Wahrnehmungen von der Straftat bei, sondern durch ihr besonderes Fachwissen.)
Sachverständige erstellen für das Gericht ein Gutachten.
In einem Gerichtsverfahren können die Beteiligten zusätzlich zu dem oder der Sachverständigen, welcheR vom Gericht ausgewählt wurde, eine eigene Sachverständige / einen eigenen Sachverständigen zur Verhandlung hinzuziehen ("PrivatgutachterIn").
DolmetscherInnen
Strafverfahren und Zivilverfahren
Manchmal können sich Beteiligte (z.B. Angeklagte, ZeugInnen,…) eines Gerichtsverfahrens nicht in der Sprache verständigen, in welcher das Verfahren geführt wird (Verfahrenssprache). Angeklagte haben aber das Recht darauf, genau zu wissen und zu verstehen, was ihnen vorgeworfen wird. Dann werden DolmetscherInnen eingesetzt.
DolmetscherInnen werden vom Gericht ebenfalls für gehörlose Personen hinzugezogen.
ZuseherInnen
Strafverfahren und Zivilverfahren
Grundsätzlich sind Gerichtsverhandlungen in Zivilsachen sowie Strafsachen (bei Bezirksgerichten oder Landesgerichten) öffentlich. Das ist wichtig, damit immer klar und nachvollziehbar ist, wie ein Gericht zum Urteil gekommen ist. Daher kann jedeR bei einem Gerichtsprozess dabei sein. Von einigen Gerichtsverfahren kann die Öffentlichkeit aber ausgeschlossen werden, wenn es z. B. um sehr persönliche und intime Angelegenheiten geht.