1938 bis 1941: Weitere Ausgrenzungen, Novemberpogrom und Deportationen
Unmittelbar nach dem „Anschluss“ am 12. März 1938 begannen Misshandlungen von Jüdinnen und Juden sowie Plünderungen von deren Geschäften. Diese wurden auch besonders gekennzeichnet, um Nicht-Juden davon abzuhalten, dort einzukaufen. Innerhalb weniger Stunden waren Jüdinnen und Juden rechtlos geworden. Juden wurden auch veranlasst, ihre Geschäfte zu verkaufen. Viele dieser Geschäfte wurden auch von den NationalsozialistInnen aufgelöst. Die jüdischen BesitzerInnen verarmten rasch. Die jüdischen MieterInnen wurden aus den Wohnungen vertrieben. In viele dieser nun leeren Wohnungen durften Anhänger des nationalsozialistischen Regimes einziehen. Jüdische SchülerInnen durften nicht mehr am Unterricht teilnehmen.
Jüdinnen und Juden mussten nun auch einen Zwangsnamen (Sarah, Israel) annehmen, die jüdischen Pässe wurden mit einem „J“ gekennzeichnet.
Ab 1939 mussten Juden und Jüdinnen außerdem Zwangsarbeit verrichten.
Novemberpogrom
In der Nacht zum 10. November 1938 organisierten die Nationalsozialisten Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden, das Novemberpogrom: In Wien wurden 42 Synagogen und Bethäuser in Brand gesteckt und verwüstet. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert. 6547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4000 davon in das KZ Dachau.
Flucht und Vertreibung
Nach diesem Ereignis, das von den Nationalsozialistinnen (aufgrund der vielen Scherben der zerstörten Gebäude) zynisch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet wurde, wurde Jüdinnen und Juden jede wirtschaftliche Tätigkeit untersagt, Betriebe und Geschäfte mussten nun „arisiert“ werden, d. h. meist weit unter dem Wert an Nicht-Juden verkauft werden. Die Erlöse kamen auf sogenannte Sperrkonten, von denen nur geringe Beträge zum Unterhalt und für die erzwungene Ausreise abgehoben werden durften. Der Rest des Geldes fiel später an das Deutsche Reich.
Rund 130.000 jüdische Menschen gelang die Flucht. Sie wurden durch wirtschaftlichen Druck und Diskriminierung vertrieben. Davor mussten sie tatsächliche oder erfundene Steuerschulden bezahlen, die ihnen auferlegten besonderen Abgaben, die Reichsfluchtsteuer und die Judenvermögensabgabe umfassten die Hälfte ihres Vermögens. Die Flucht wurde außerdem durch die strengen Einwanderungsbestimmungen, die damals in vielen Ländern der Welt herrschten, erschwert.
Die meisten jener Jüdinnen und Juden, denen es nicht gelang, das Land zu verlassen, fielen später dem Massenmord des Holocaust zum Opfer.
Kindertransporte
Etwa 3 Wochen nach den Novemberpogromen beschloss die britische Regierung auf Druck von Hilfsorganisationen, vorübergehend jüdische Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 17 Jahren im Land aufzunehmen. Für sie wurden Transporte per Zug und Schiff organisiert und Pflegefamilien gefunden.
Durch diese Kindertransporte, die bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (September 1939) stattfanden, konnten mehr als 10.000 Kinder aus Deutschland, Österreich, Polen, der Freien Stadt Danzig und der Tschechoslowakei ausreisen und auf diese Weise vor der Verfolgung durch das NS-Regime gerettet werden.
Die Isolation und Schikane der jüdischen Minderheit im Deutschen Reich und damit auch auf österreichischem Gebiet ging unterdessen weiter. Die Wohnungen der zurück gebliebenen Jüdinnen und Juden wurden gekündigt. Sie wurden gezwungen, auf engstem Raum in Sammelwohnungen zu wohnen. Sie durften weder Autos noch Fahrräder besitzen, ebenso keine Radios, Telefone oder Haustiere. Es durften nur mehr bestimmte Straßenbahnlinien benutzt werden, das Betreten von Parkanlagen oder auch des Wienerwaldes wurde verboten.
Ab 1941 galt im „Deutschen Reich“ ein Auswanderungsverbot. Doch schon seit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 war es für Jüdinnen und Juden sehr schwer geworden, das Deutsche Reich zu verlassen.
Juden und Jüdinnen mussten ab September 1941 zur Kennzeichnung einen gelben Stern („Judenstern“) auf der Kleidung tragen.
Deportation von Juden und Jüdinnen nach Osteuropa
Die Deportationen aus Wien begannen im Februar 1941, einige Zeit vor den Deportationen aus dem übrigen Reichsgebiet. In mehreren Transporten zu je rund 1000 Menschen wurden Jüdinnen und Juden in Gettos ins besetzte Polen, jetzt Generalgouvernement, transportiert, wo sie unter schrecklichen Bedingungen auf engstem Raum leben mussten. Ihr Vermögen verfiel an den Staat.
Das nationalsozialistische Deutsche Reich besetzte in den ersten Kriegsjahren des Zweiten Weltkrieges weite Teile Europas, wo auch die Verfolgung der Jüdinnen und Juden einsetzte. Jüdische Flüchtlinge aus Österreich und Deutschland wurden nun von den Nationalsozialisten wieder eingeholt und später auch aus diesen Ländern in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.