Worte, die berühren. Sätze, die über Generationen hinweg in Erinnerung bleiben und zu „geflügelten Worten“ werden. Botschaften, die Millionen von Menschen bewegen, die bei den Zuhörer:innen Emotionen und Bilder wecken, weil der Redner oder die Rednerin damit „den Nagel auf den Kopf getroffen“ hat. Bestimmt kennen die meisten von uns solche legendären Sätze, die in die Geschichte eingegangen sind. Aber: Kann eine Rede die Welt verändern?
Die Welt im Dialog: Internationale Reden, die die Welt veränderten
Diskussionsfrage: Diskutiert in der Klasse: Kann eine Rede die Welt verändern? Oder sind es letztlich eben immer „bloß Worte“?
Wodurch eine Rede zu einer guten, mitreißenden oder gar historischen Rede wird, dafür gibt es kein eindeutiges Rezept. Begnadete Redner:innen, starke Persönlichkeiten, Witz, Authentizität, emotionale Appelle oder geschliffene Formulierungen helfen zweifellos dabei, die Zuhörer:innen in den Bann ziehen. Aber auch der Zufall spielt oft eine Rolle.
Nicht alle bekannten internationalen Reden fanden vor einem großen Publikum statt. Einige bedeutsame Reden wurden gar nicht von vornherein als solche wahrgenommen: Tatsächlich sind manche „historischen Reden“ erst später berühmt geworden, als der Verlauf der Geschichte den Redner:innen gewissermaßen im Nachhinein Recht gegeben hat. Und nicht zuletzt gibt es weltbekannte Sätze, die so allerdings wohl gar nie gesagt worden sind. Oder von wem anders, als die Legende besagt. Oder in einem anderen Zusammenhang.
Gerade im Bereich der Diplomatie und Außenpolitik wird in einigen politischen Reden die Macht der Worte deutlich. Mit Fingerspitzengefühl sowie klaren Worten haben sie Eingang in die die Geschichte gefunden.
„Lasst Europa entstehen!“ („Let Europe arise“)
Winston Churchill, 19. September 1946 in Zürich, Schweiz
Hintergrund: 1945 war der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen; Europa war vom Krieg schwer gezeichnet. Winston Churchill, ehemaliger britischer Premierminister und nunmehr Oppositionsführer der konservativen Partei im britischen Unterhaus, sprach in seiner Rede von seiner Vision für die Zukunft Europas. Er machte sich für „eine Art Vereinigte Staaten von Europa“ (United States of Europe“) stark, und dafür, einen Europäischen Rat zu schaffen. Als wichtigsten ersten Schritt sah er dabei die Versöhnung und eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich, um Frieden, Stabilität und ein „Wiederauferstehen“ von Europa zu ermöglichen. Großbritannien sollte nach Churchill übrigens diesen Vereinigten Staaten von Europa nicht angehören, sondern (ebenso wie das Commonwealth, Amerika, und im Idealfall auch die Sowjetunion) die Rolle eines „Freundes“ und Förderers einnehmen.
„All human beings are born free and equal in dignity and rights“
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“.
Eleonore Roosevelt, 10. Dezember 1948 in Paris, Frankreich
Hintergrund: Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit großer Mehrheit verabschiedet. Verkündet wurde dies um 3 Uhr morgens Mitteleuropäischer Zeit von Eleanor Roosevelt. Die ehemalige First Lady und Witwe von US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte als Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission maßgeblich daran mitgewirkt, die Menschenrechte zu formulieren, und sie mit den Mitgliedsstaaten zu verhandeln. „Wir stehen heute an der Schwelle eines großen Ereignisses im Leben der Vereinten Nationen und im Leben der Menschheit“, begann E. Roosevelt ihre Rede. „Diese Erklärung kann die internationale Magna Charta aller Menschen werden.“ Sie zitierte aus Artikel 1 der Erklärung: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen". Die (nächtliche) Rede hielt Roosevelt nicht vor einem Millionenpublikum. Von den Delegierten der Vereinten Nationen jedoch erhielt sie Standing Ovations.
„Österreich ist frei!“
Leopold Figl, 15. Mai 1955 in Wien, Österreich
Hintergrund: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Österreich von den Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die Verhandlungen darüber, wie ein freies und unabhängiges Österreich aussehen könnte, dauerten (mit Unterbrechungen) von 1947 bis 1955. Zum Schlüssel für die Einigung mit den vier Besatzungsmächten wurde die „immerwährende Neutralität“ Österreichs. Damit war der Weg zum österreichischen Staatsvertrag frei. Anfang Mai fixierte eine Botschafterkonferenz mit den Außenministern der vier Staaten und Österreichs den endgültigen Text des Staatsvertrags. Am 15. Mai 1955 fand die feierliche Unterzeichnung des Staatsvertrags im Schloss Belvedere in Wien statt. Nach zehn Jahren der Besatzung war Österreich wieder ein freier, unabhängiger und souveräner Staat. Der österreichische Außenminister Leopold Figl hielt nach der Unterzeichnung eine Rede, die er mit den berühmten Worten beendete: „Österreich ist frei!“ Übrigens hat Figl diesen Satz nicht, wie oft dargestellt, vom Balkon des Schlosses Belvedere der jubelnden Menge zugerufen, sondern nach Abschluss der Verhandlungen im Saal ausgesprochen.
„Ich bin ein Berliner“
J. F. Kennedy, 6. Juni 1963, West-Berlin, DDR
Hintergrund: 1963 reiste der damalige amerikanische Präsidenten John F. Kennedy nach West-Berlin. Berlin war seit dem Bau der „Berliner Mauer“ 1961 in zwei Hälften geteilt, West-Berlin war im Zuge des „Kalten Krieges“ „eingemauert“ worden und von der kommunistisch regierten DDR umgeben. (Mehr dazu findest du im Thema „Die Öffnung des Eisernen Vorhangs“ ).
Kennedy hielt seine Rede vor hunderttausenden Menschen. Die Rede war ein Plädoyer für Frieden und Demokratie in Europa, und ein deutliches Zeichen der Solidarität der USA mit West-Berlin. Kennedy sprach den Einwohnern Berlins Mut zu und übte starke Kritik am kommunistischen System und am Bau der Mauer. Er betonte die Bedeutung der Einheit Berlins und Deutschlands, denn solange jemand unfrei sei, könne es keine echte Freiheit geben. „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können…“, sagt der amerikanische Präsident am Ende seiner (englischen) Rede, und spricht dann auf Deutsch die letzten, weltberühmten Worte: „Ich bin ein Berliner!“
„Mr. Gorbachev, tear down this wall!“
„Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“
Ronald Reagan, 12. Juni 1987, West-Berlin, DDR
Hintergrund: In seiner Rede in West-Berlin 1987 forderte der US-Präsident Ronald Reagan den Regierungschef der Sowjetunion Michail Gorbatschow auf, die Berliner Mauer zu öffnen. Diese war 1961 zwischen West- und Ost-Berlin errichtet worden. Reagan appellierte außerdem, das (atomare) Wettrüsten zwischen den Westmächten und dem Ostblock zu beenden. Die Rede fand 1987 bei den Medien zunächst nicht so starke Beachtung. Es schien vielen „naiv“, zu glauben, dass die Berliner Mauer in naher Zukunft geöffnet werden könnte. Als jedoch zwei Jahre später, am 9. November 1989, die Mauer tatsächlich fiel, erschien Reagans Rede in neuem Licht.
„One child, one teacher, one pen and one book can change the world“
„Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern“
Malala Yousafzai, 12. Juli 2013, New York
Hintergrund: Malala Yousafzai ist eine pakistanische Aktivistin, die bereits als 11-Jährige für das Recht auf Bildung kämpfte. Insbesondere setzt sie sich dafür ein, dass auch Mädchen Bildung zusteht und sie die Schule besuchen dürfen. 2012 wurde deshalb dem damals 15-jährigen Schulmädchen von Mitgliedern der Taliban in den Kopf geschossen. Sie überlebte das Attentat. An ihrem 16. Geburtstag hielt sie vor der UN-Generalversammlung eine Rede. Sie forderte darin auf, weltweit Analphabetismus, Armut und Terrorismus zu bekämpfen. Als wichtigste „Waffe“ in diesem Kampf sah sie die Bildung: „Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern.“ Malala Yousafzai erhielt im Jahr 2014 mit 17 Jahren den Friedensnobelpreis. Sie war damit die jüngste Person, die jemals diesen Preis erhalten hatte.
„How dare you?!“
„Wie könnt ihr es wagen?!“
Greta Thunberg, 23. September 2019, New York
Hintergrund: „Wie könnt ihr es wagen, weiterhin wegzuschauen und hierherzukommen und weiterhin zu sagen, ihr würdet genug tun?“ Mit dieser Frage wandte sich im September 2019 die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg beim UN Klimagipfel 2019 an die anwesenden Staats- und Regierungschefs. In einer emotionalen Rede warf sie den UN-Mitgliedsstaaten vor, zu wenig für den Schutz des Klimas zu unternehmen. Sie betonte, dass die Politiker:innen der Vereinten Nationen dadurch die Zukunft ihrer (Thunbergs) Generation gefährden, und gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen. In ihrer Rede verwendete Greta Thunberg mehrmals den Ausruf „How dare you?!“, dieser wurde von der Medien in aller Welt aufgegriffen.