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Interview mit Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien

O. Univ.-Prof. DI Dr. Heinz W. Engl studierte Technische Mathematik in Linz und wurde Universitätsprofessor für Industriemathematik an der Universität Linz. Seit 1. Oktober 2011 ist er Rektor der Universität Wien. Im Februar 2015 befragten wir ihn über sein Studium und seine Tätigkeit als Rektor.

Wie kamen Sie zum Studieren? Würden Sie noch mal Mathematik studieren?

Ja, ganz klar! Ich würde noch mal Mathematik studieren. Mit 14 wusste ich das allerdings noch nicht. Mein Vater war Richter und die Rechtswissenschaften haben mich sehr interessiert, die Logik dahinter. Eigentlich kein weiter Weg zur Mathematik, aber wirklich Feuer entfacht für die Mathematik wurde bei mir durch die Mathematikolympiaden, bei denen ich als Schüler auch international Preise gewonnen habe, und da gab es Trainingskurse dazu, die sehr faszinierend waren. Ich hab das keine Minute bereut.

Wie haben Sie das Studium in Erinnerung?

Ich habe das Studium insgesamt sehr genossen. Es war intellektuell herausfordernd, ich war auch Studierendenvertreter und da gefordert.

Ich hab sehr schnell studiert und war auch bald schon als wissenschaftliche Hilfskraft tätig und hab schon im 2. Semester Vorlesungen vorbereitet für andere Studierende. Das hat mich sehr bereichert und mir Spaß gemacht. Ich bin bei der Mathematik immer geblieben – einige meiner Mitstudierenden haben sich dann im Laufe des Studiums anders entschieden, weil sie bemerkt haben, dass ihre Begabungen wo anders liegen. Einer meiner Studienfreunde wurde Politiker.

Als junger Absolvent ging ich von Linz, wo ich studiert habe, in die USA, an das Georgia Institute of Technology in Atlanta, und da war meine prägendste Zeit. Mit welcher Intensität dort geforscht wurde, das war ein ganz besonderes Erlebnis für mich.

Sie haben dann also als Student und als Jungwissenschafter Studierende unterrichtet, die älter waren als Sie?

Ich war 23 Jahre alt, als ich die erste große Vorlesung in den USA gehalten habe – eine große Herausforderung. Und man hat mir damals zumindest nicht angesehen, dass ich nur wenige Jahre älter war als die Studierenden, die ich unterrichtet habe.

Was hat sich von Ihrer Studienzeit zur Studienzeit heute verändert?

Die Studierendenzahlen sind in den letzten Jahren sehr gewachsen und die Ausstattung konnte nicht mithalten. Heute reden wir von Problemen bei der Betreuung, damals gab es noch mehr die Möglichkeit in Kleingruppen zu arbeiten.

Was macht die Universität reizvoll für junge Menschen?

Es ist die Möglichkeit sich auf hohem intellektuellem Niveau mit Forschung zu beschäftigen. An der Uni kommt man sehr schnell mit kreativer Forschung in Kontakt und hat die Möglichkeit, gemeinsam mit ForscherInnen an den Themen der aktuellen Forschung zur arbeiten – das war für mich damals ungeheuer faszinierend – und das ist auch heute noch faszinierend. Und man muss sagen, dass Studierende und junge ForscherInnen oft auch die innovativeren und besseren Ideen haben!

Dass die Forschung mit dem Unterricht, also der Lehre, eng verbunden ist, das geht an der Universität Wien schon aufs 14. und 15 Jahrhundert zurück, die damalige mathematische Schule. Vorläufer von Kopernikus, wie etwa Johannes von Gmunden, haben damals schon junge Menschen, die gelernt haben und geforscht haben, aus ganz Europa nach Wien geholt.

Sie sind Rektor der Universität Wien geworden – wie ist es dazu gekommen?

Vor 10 Jahren wäre ich nie auf die Idee gekommen, Rektor zu werden, ich wurde angesprochen Vizerektor zu werden und hab sofort Ja gesagt. Der Grund war, dass mich die Aufgabe an führender Stelle, Universität gestalten zu können, unglaublich gereizt hat. Ich bin einer der ersten Rektoren seit einigen 100 Jahren, der davor nicht Professor an der Uni Wien war. Eine große Herausforderung, aber ich habe den Schritt nie bereut. Man kann in der Position gestalten – zwar in schwierigem Umfeld, das ist klar – aber eine sehr interessante Aufgabe. Einziger Wermutstropfen: ich kann jetzt nicht mehr in der Forschung tätig sein. Aber die Art des Denkens, die ich als Mathematiker gelernt habe, kann ich nun gut gebrauchen.

Hat der Job eines Wissenschafters oder einer Wissenschafterin etwas mit Politik zu tun?

Als junge/r Wissenschafter/in hat man die Aufgabe, in der Wissenschaft auch Fuß zu fassen und neue Beiträge zu leisten. Ist man erfahrener, dann geht es darum, die JungwissenschafterInnen zu unterstützen und die Welt der Forschung zu eröffnen. Da muss man Geld einwerben, z.B. auf europäischer Ebene, das ist eine forschungspolitische Aufgabe.

Als Rektor hat man natürlich eine politische Aufgabe, aber nicht parteipolitisch, das spielt an den Universitäten weniger Rolle. Da geht es viel um Mitgestaltung!

Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik ein?

Politik sollte sich manchmal mehr der wissenschaftlichen Expertise bedienen, sowohl in gesellschaftlichen Fragen, als auch in Fragen zum Gesundheitssystem, zur Umwelt oder auch in ganz praktischen Fragen, wie etwa zum Finanzmarkt etc.

Ich glaube WissenschafterInnen bringen sich da noch zu wenig ein, aber die Politik fragt auch noch viel zu selten um Rat.

Keine Wissenschaft allein kann der Politik helfen. Wenn ich an mein Fach denke, die Mathematik, dann wäre es die Unterstützung bei Entscheidungen, die auf Daten beruhen. Dazu braucht es etwa Statistik. Für die Entscheidung selbst braucht es die Mathematik nicht mehr. Aber die Mathematik kann Ordnung in Daten bringen und helfen, rationale Schlüsse zu ziehen. Das könnte auch der Politik helfen.

Wie wichtig Wissenschaft für Politik ist, das zeigt auch, dass die Grundlage des Wohlstands Forschung ist. Das sagt die Politik zwar, in der Realität folgen aber nicht immer Taten. 2% des Bruttoinlandsproduktes sollen in Universitäten und Hochschulen investiert werden, davon sind wir weit entfernt. Das ist auch der Grund, warum wir bei den 650 Jahr-Feierlichkeiten zu unserer Universität auch viel Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen wollen: Unis sind unverzichtbar und sie brauchen angemessene Finanzierung.

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gedruckt am: Samstag, 21. Dezember 2024